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    Der Kinderkreuzzug (German Edition)

    Por Marcel Schwob

    Sobre

    Ich armseliger Goliard, elender Pfaff, der ich in den Wäldern und auf den
    Landstraßen umherstreife, um im Namen unseres Heilandes mein tägliches Brot
    zu erbetteln, ich habe ein frommes Schauspiel gesehen und die Worte der
    kleinen Kinder gehört. Ich weiß, mein Leben ist nicht sehr heilig und ich
    habe den Versuchungen unter den Linden am Wege nicht widerstanden. Die
    Brüder, die mir Wein geben, sehen wohl, daß ich kaum gewöhnt bin, ihn zu
    trinken. Aber ich gehöre nicht zur Sekte derer, die verstümmeln. Es gibt
    böse Menschen, die den Kleinen die Augen ausstechen, ihnen die Beine
    absägen und die Hände binden, um sie auszustellen und Mitleid mit ihnen zu
    erwecken. Und deshalb habe ich Furcht, wenn ich alle diese Kinder sehe.
    Sicher wird sie unser Heiland beschützen. Ich rede in den Tag hinein, denn
    Freude erfüllt mich. Ich freue mich über den Frühling und über alles, was
    ich gesehen habe. Mein Geist ist nicht sehr stark. Ich erhielt die Tonsur,
    als ich zehn Jahre alt war und habe die lateinischen Worte vergessen. Ich
    bin wie die Heuschrecke; denn ich springe hierhin und dorthin und summe,
    und manchmal öffne ich bunte Flügel, und mein kleiner Kopf ist durchsichtig
    und leer. Man sagt, daß St. Johannes sich in der Wüste von Heuschrecken
    nährte. Man müßte viel davon essen. Aber St. Johannes war nicht ein Mensch
    wie wir.

    Ich bewundere St. Johannes, denn er irrte umher und redete ohne Unterlaß.
    Mir scheint, seine Worte hätten milder sein sollen. Auch der Frühling ist
    mild in diesem Jahr. Niemals hat es so viele weiße und rote Blumen gegeben.
    Die Wiesen sind frisch gewaschen. Überall auf den Hecken glänzt das Blut
    unseres Heilandes. Unser Herr Jesus ist weiß wie eine Lilie, aber sein Blut
    ist rot. Warum? Ich weiß nicht. Auf irgendeinem Pergament muß es
    geschrieben stehen. Wenn ich Schreiben gelernt hätte, würde ich Pergament
    haben und würde darauf schreiben. Dann könnte ich jeden Abend sehr gut
    essen. Ich ginge in die Klöster und betete für die toten Brüder und
    schriebe ihre Namen auf meine Rolle. Ich würde meine Totenrolle von einer
    Abtei zur anderen tragen. Das ist etwas, was unseren Brüdern gefällt. Aber
    ich kenne die Namen meiner toten Brüder nicht; vielleicht sorgt sich unser
    Heiland auch nicht darum, sie zu erfahren. Mir schien, als ob alle diese
    Kinder keine Namen hätten. Und es ist sicher, daß unser Herr Jesus sie
    liebt. Sie erfüllten die Landstraße wie ein Schwarm weißer Bienen. Ich weiß
    nicht, woher sie kamen. Es waren ganz kleine Pilger. Als Pilgerstäbe hatten
    sie Hasel- und Birkenstöcke. Auf den Schultern trugen sie das Kreuz; und
    alle diese Kreuze hatten andere Farben. Ich sah grüne, die wohl aus
    aufgenähten Blättern gemacht waren. Es sind wilde, unwissende Kinder, Ich
    weiß nicht, wohin sie irren. Sie glauben an Jerusalem. Ich denke, Jerusalem
    muß weit sein und unser Heiland muß näher bei uns sein. Sie werden nicht
    nach Jerusalem kommen. Aber Jerusalem wird zu ihnen kommen. Wie zu mir
    auch. Das Ziel aller heiligen Dinge liegt in der Freude. Unser Heiland ist
    hier, auf diesem Rotdorn, auf meinem Munde und in meiner armen Rede. Denn
    ich denke an ihn, und seine Grabstätte ist in meinen Gedanken. Amen. Ich
    will hier in der Sonne schlafen gehen. Dies ist eine heilige Stätte. Die
    Füße unseres Heilandes haben alle Orte geheiligt. Ich will schlafen. Jesus,
    laß am Abend alle diese kleinen weißen Kinder schlafen, die das Kreuz
    tragen. Wahrhaftig, ich sage es ihm. Ich bin sehr schläfrig. Ich sage es
    ihm wirklich, denn vielleicht hat er sie gar nicht gesehen und er muß doch
    über die kleinen Kinder wachen. Die Mittagsstunde drückt auf mich. Alle
    Dinge sind weiß. Amen.
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