CLINT EASTWOOD: Eine amerikanische Ikone (German Edition)

Ganz am Anfang stellt Seeßlen die Frage: »Was zum Teufel ist an American Icon?« Bereits am Ende des ersten Kapitels antwortet Eastwood selbst mit einem einfachen Satz und sagt WIE ein American Icon produziert wird. Doch zwischen hier und der eigentlichen Antwort »CLINT EASTWOOD: Eine amerikanische Ikone« sowie Seeßlens Forderung: »Einen Platz, kein Denkmal, verdient der Regisseur Clint Eastwood in der amerikanischen Filmgeschichte.« ist noch ein spannender Weg durch insgesamt fünf Kapitel ›Seeßlen‹-Lesestoff. Der ist – wir kennen den Autor als tiefgründigen Analytiker – nicht staubig und trocken, sondern informativ, erkenntnisreich und unterhaltsam. Ähnlich bunt, interessant und abenteuerlich wie Clint Eastwoods langer Weg vom Cowboy zum Künstler:
Erste Nebenrollen ab Mitte der 1950er Jahre. Dann als schlaksiger Heißsporn in RAWHIDE (1959-66). Reise nach Italien: »Sergio Leone kreiert einen vollkommen neuen Western-Mythos. Eastwood ist jetzt ein Kerl im Poncho, der listig seine Gegner gegeneinander ausspielt und im entscheidenden Moment zu dem einen oder anderen faulen Trick greift, an den seine Western-Vorfahren zwischen John Wayne und James Stewart nie gedacht hätten.« Da ist einer, der den Kopf riskiert für eine Handvoll Dollar. Der als Mann ohne Namen für Furore sorgt, wenn er westwärts zieht mit dem Wind. Ein bleicher Reiter der den Western am Leben hält. Und dann kommt die neurotische Wiederkehr des Westerners. Don Siegel verfrachtet diesen Typus aus dem Niemandsland des italienischen Westerns in den Dschungel der modernen Großstadt. Eastwood ist ein schmutziger Cop in San Francisco, den sie deshalb Dirty Harry nennen. Und eines Tages kommt Eastwood an die Brücken am Fluss in Madison Country (Iowa) und findet das Glück seines Lebens – beinahe jedenfalls ...
»Mit PLAY MISTY FOR ME (1971), einem kleinen aber durchaus wirkungsvollen Thriller beginnt der Regisseur Eastwood seine Arbeit. Immer wieder verbeugt er sich vor seinen beiden großen Lehrmeistern, Leone und Siegel, knüpft aber zugleich in seinen Genrefilmen an die großen Traditionen des amerikanischen Kinos an. Der Regisseur Clint Eastwood pflegt eine ur-amerikanische Tugend: das Geschichtenerzählen. Er erzählt geradeaus aber genau.

»Fast alle Eastwood-Filme«, schreibt Seeßlen, »haben durchaus einen biografischen Touch. Eastwood schaut seinen Figuren auch beim Älterwerden zu. Unbestechlich, wie es seine Art ist. Er schaut ihnen bei Niederlagen zu, und dabei, wie sie etwas lernen.«
Seeßlen sieht in Eastwood »einen realistischen Erzähler, einen, der den Dingen, vor allem aber den Menschen immer auch ihr Geheimnis lässt. Dem es am meisten um die Erfüllung von Träumen geht, und um die Schwierigkeiten, die man dabei haben kann.
Seit dem mit Oscars reichlich bedachten Western UNFORGIVEN ist Eastwood wohl auch in den Augen der strengsten Kritiker zum letzten Klassiker des amerikanischen Genrekinos geworden.
Tiefgründig und genau analysiert Seeßlen Eastwoods kontinuierliche Entwicklung, beschreibt seine Karriere und unterzieht das gesamte filmische Werk des Regisseurs und Schauspielers einer komplexen substanziellen Betrachtung.
Als Schauspieler wie als Regisseur hat Eastwood an einer magischen Biographie gearbeitet. Jeder neue Film war zugleich Fortsetzung und Infragestellung eines Menschen, der eine amerikanische Ikone zu sein immer als Würde und als Bürde gleichermaßen empfinden musste. Dass man das eine vom anderen nicht trennen kann, zum Beispiel das, was wir an Amerika bewundern, und das, was uns abstößt, davon handeln Eastwoods Filme, und immer genauer folgt er den Rissen und Widersprüchen seiner Figuren. Man durchschaut ihre Maske, und entdeckt dann doch viel mehr als die Banalität einer realen Person. Man entdeckt den Zwiespalt, Bereiche der Unschärfe. Der Regisseur Eastwood liebt Areale der Dunkelheit. Er liebt das Gerade-Noch-Sichtbare, die Schatten der Erinnerung. Eine lange Geschichte des Verlustes: Die amerikanische Erzählung.«