Ein heißer Sommertag im Jahr 1947. Die hessische Garnisons- und Universitätsstadt Gießen ist ein Trümmerfeld. Wer nur die offiziellen Lebensmittelzuteilungen erhält, muss hungern. Nach dem härtesten Winter seit Menschengedenken herrscht eine wochenlange Hitzeperiode, in der Stadt drängen sich Tausende Vertriebene, Flüchtlinge und Displaced Persons; Nutten, entwurzelte Jugendliche, Schwarzhändler und kriminelle Gestalten aus allen Teilen Europas streifen durch die Straßen und Kaschemmen auf der Jagd nach den Schätzen der amerikanischen Besatzer: Zigaretten, Nylons, Kaffee, Schokolade, Fallschirmseide, Penizillin. Der 57-jährige Heinrich Witt beteiligt sich mit seinen Angestellten, dem ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter Stani, dem Ostpreußen Otto und der einst von den Nazis verfolgten Erna an allerlei erlaubten und verbotenen Geschäften, doch er gehört nicht zu den großen Schwarzhändlern, da er stets versucht, seinen humanistischen Vorstellungen treu zu bleiben und seine Identität zu wahren. Aufgewachsen als Sohn eines Uniformschneiders, hasst er seit seiner Kindheit Militär und Uniformen und die mit dem Kaiserreich verbundene Engstirnigkeit. Nach Abitur und Militärdienst sucht er das Abenteuer zuerst in Hamburg, dann in Deutsch-Ostafrika, wo ihm der Erste Weltkrieg einen Strich durch seine weiteren Pläne macht. Er gelangt unter turbulenten Umständen über Arabien und Palästina nach Istanbul, und dort, in der Hauptstadt des zerbröselnden Osmanischen Reichs, eröffnet er ein Kino. 1923 geht er zurück nach Hamburg, heiratet dort - und als die Nazis an der Macht sind, muss er zu seinem Entsetzen feststellen, dass seine Frau und die beiden Kinder der braunen Propaganda erlegen sind. Er lebt nun als Fremder im eigenen Haus, bis dies den Bomben zum Opfer fällt. An jenem Tag im Sommer 1947, der so ruhig beginnt und peu à peu in Richtung Chaos driftet, werden einige Rechnungen beglichen und manches gerät außer Kontrolle.
Harte 10
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